EDITORIAL 3
K
ü rzlich bek am ich ein B uch ge-
schenkt. N ichts U ngew öhnliches
sow eit, u n te r F reu n d en ist das ja
durchaus üblich. D och das T hem a des
Buches irritierte m ich zunächst, handelte
es doch von U hren. Z w ar trage ich von
früher K indheit an U hren sehr gerne und
fühle m ich ohne sie fast ein wenig nackt,
aber ich bin ganz sicher nicht das, was m an
unter einem U hrenfreak oder gar Sam m -
ler versteht.
D o ch ein em B ek an n ten w ar m eine
U h r bei einem Treffen aufgefallen, u n d
so beschloss er, m ich in die K ategorie
U hrenliebhaber einzusortieren.
N u n saß ich da u n d fragte m ich, was
ich m it diesem großen, schweren, textlas-
tigen Buch über eine U hrenm anufaktur
anfangen sollte.
Sätze wie “. m ö ch ten w ir Luxus für
eine größere Zahl von M enschen erreich-
b a r m a ch e n .
..“ lassen b ei m ir schnell
d en W u n sch a u fto m m e n , die S ch u b -
lade „w ichtigtuerisches M ark etin g -G e-
sch w ätz“ aufzuziehen, aber bei w eite-
rer B eschäftigung m it d em In h alt des
B uches w u rd e es d o ch so in teressan t,
dass ich begann, G em einsam keiten und
Z w e i e r l e i
K u n d s c h a f t ?
U nterschiede zur H iFi-W elt zu suchen.
N ach w enigen M inuten Internetrecherche
stellte sich ein D eja-vu-Erlebnis ein: Die
dank vergleichsweise h o her produzierter
Stückzahlen vorgeblich o h n eh in schon
preisw erten Schm uckstücke w urden als
veritable V ersandhaus- u n d Preisverriss-
objekte verram scht. M it schw indelerre-
genden R abatten von bis zu 70 % vom
„Listenpreis“ w urde da gew orben.
D as erin n e rte m ich an die d u n k els-
ten S tu n d en des H iF i-H andels, als d er
P reis fü r m a n c h e P ro d u k te n ah e zu
stü n d lic h zu fallen sch ien , u m auch
d en letzten zw eifelnden In teressen te n
davon zu überzeugen, dass G eiz geil ist.
D um m nur, dass zuvor schon H underte,
w enn nicht Tausende K unden die gleiche
W are zum ursprünglich geforderten Preis
m it nach H ause genom m en h atten und
n u n hilflos m it ansehen m ussten, wie der
W ert der neuen A nlage vor ihren A ugen
zerbröselte. D och der Erfolg dieser V er-
schleuderei gibt den M arketingstrategen
Recht, oder?
Jein, denn einerseits w ird es m it Sicher-
heit im m er eine K undschaft geben, die lie-
ber zum Sparpreis kauft, als ein P rodukt
zu einem reellen G egenw ert m it h o h er
W ertstabilität zu erw erben. D och ande-
rerseits scheint die M ehrzahl der H erstel-
ler im HiFi-Sektor ihre Lektion gelernt zu
haben: eine von v ornherein vernünftige
Kalkulation vorzunehm en, die für kräftige
R abatte n u r n o ch seh r beg ren zt R aum
lässt. U n d den H ändler in die Pflicht zu
neh m en , n icht n u r im L adenlokal eine
engagierte und überzeugende V orführung
zu gew ährleisten, so n d ern die v erkauf-
ten K om ponenten auch beim K unden zu
H ause perfekt zu installieren.
N ur so lässt sich ein Erlebnis verm itteln,
u n d n u r so w ird m an den V ersan d h an -
del u n d seine D um pingpreise auf D auer
z u m in d est b ei d e r se rv iceo rien tierten
Kundschaft zur lästigen Randerscheinung
degradieren können.
Michael Lang
Geschäftsführender Redakteur
5/2014 STEREO 3
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